Freitag, 5. März 2010

Inselgelt (9) – Wer hat Schuld?

Feldi und Bachi sitzen beisammen. Sie machen sich Sorgen. Weniger um Waldi selbst. Der ist ersetzbar, denn dort draußen auf der endlos großen Scheibe, da sind weitere Inseln und dahinter noch weitere. Feldis Handel und Wandel läuft gut, und Bachi gibt gerne Kredit.
Bloß die 1.000 Steinchen, die Waldi Bachi schuldet, machen Bachi ärgerlich.
Und die 1.000 Steinchen, die Waldi Feldi schuldet, machen Feldi ärgerlich, denn er hat auch geborgt, das mit dem Zins war zu verlockend.
Und so machen die 2.000 geborgten Steinchen Bachi und Feldi ärgerlich, weil sie angesichts der schrecklichen Lichtung in Waldis Wald um diesen Besitz bangen.
Längst haben sie vergessen, dass auf Bachis Zettelbank bloß 12 Steinchen liegen, wozu auch. Die sind völlig ohne Bedeutung. Und wen schert es, ob sie überhaupt noch dort sind.

Auch Waldi ärgern die 2.000 geborgten Steinchen. Denn irgendwie deucht ihm diese Schuld eigenartig. Feldi und Bachi besitzen so gut wie alles, was man auf dieser Insel besitzen kann, und er, Waldi, hat demnächst gerade noch so viele Bäume, wie man an den Fingern einer Hand abzählen kann.

Selber schuld, könnte man meinen.
Wäre er eben fleißiger gewesen, könnte man sagen.
Er hätte eben das Wachstumsspiel der Anderen mitspielen müssen.

Und während Feldi und Bachi keinen Gedanken verschwenden auf die Frage, wo das Gelt eigentlich her gekommen ist, das ihre Geschäfte beflügelt, sitzt Waldi im Schatten eines Baumes, und blickt auf’s Meer hinaus.

Wie kann es kommen, dass einer 2.000 Steinchen schuldet, wo doch niemals mehr als 12 Steinchen gleichzeitig zu sehen gewesen waren.
Er kritzelt „Gelt = Ungiltiges + Schuld“ in den Sand und denkt:
„Wäre diese Insel jetzt eine Kugel, dann hätten Feldi und Bachi ein ernstes Problem.“

Fortsetzung folgt nicht.

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Donnerstag, 4. März 2010

Inselgelt (8) - Kreditfalle

Auch Waldis Nerven liegen lange schon blank, denn seine Lage ist ihm längst bewusst.
Er hatte zwar begonnen, neue Bäumchen zu setzen. Die wachsen zwar stätig, aber elendiglich langsam. Die Lichtung hingegen, die wächst rasch und immer schneller noch dazu.
Und auch sonst ist er in denkbar schlechter Position. Was kann er groß ausrichten gegen Feldi, der nebenan schaltet und waltet, und gegen Bachi, der auf seiner Bank sitzt, und Herr ist über Gelt, und der von den Zinsen lebt, die Waldi (und andere) bereit gewesen waren, zu akzeptieren, und die er, Waldi, nun nicht imstande sein würde, mitsamt den angehäuften Schulden jemals zu begleichen.
Und er hatte Bachi im Ringen um neuen Kredit gar manches Märchen aufgetischt, um seine Lage und Kreditwürdigkeit zu beschönigen, die lange unbemerkt gebliebene Lichtung im Walde inklusive.

Und Bachis jüngstes Angebot, ihm letztmals 10 gegen 15 zu borgen, verbunden mit dem drängend vorgebrachten Rat, zu sparen, und zu sehen, seine Schulden doch jetzt endlich in den Griff zu bekommen, kommt ihm da gerade recht.

Da ist ihm die Erkenntnis, dass die Welt, auf der wir alle leben, eine Kugel ist, und keine unbegrenzte Scheibe, wie Feldi und Bachi hartnäckig zu glauben scheinen, auch kein Trost, fürwahr.

Fortsetzung folgt.
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Mittwoch, 3. März 2010

Inselgelt (7) – Wirtschaftskraft & Kreditwürdigkeit

Viele Jahre sind seitdem vergangen. Die Dinge haben sich verändert. Anfangs unmerklich, mit der Zeit aber immer deutlicher und immer rascher.

Feldi hatte eine Menge von Dingen unterschiedlicher Nützlichkeit angehäuft.
Heute besitzt er Felder, Boote, treibt Handel. Gäste von benachbarten Inseln kommen auf Besuch, wohnen in eigens für sie gebauten Hütten am Strand, essen seine Fladenbrote, und manche arbeiten für ihn.
Das alles bringen Reichtum und Wohlstand.

Bachi sitzt auf seiner Bank und hat Anteil an Feldis Erfolg. Nicht nur Waldi hat Kredit bei ihm genommen, auch Feldi zahlt Zinsen, und gar mancher Bewohner benachbarter Inseln hat seine Geltgeschäfte Bachi anvertraut. Bachi hat einen Helfer angeheuert und ihm beigebracht, seine Bücher zu halten, und es fällt ihm leicht, dessen Mühe aus den Zinseinnahmen zu entgelten.

Waldi hingegen hat den Großteil seiner Bäume gefällt. Anfangs gemütlich, später aber immer eiliger, wegen der Zinslast. Und darüber hatte er ganz übersehen, sich rechtzeitig um junge Bäume zu bemühen.
Die wuchsen weit langsamer nach, als er fällen musste. Und daran ändert auch nicht, dass er sich mittlerweile als Arbeiter auf Feldis Feldern verdingt, um etwas Gelt dazuzuverdienen, in der Hoffnung, dann weniger Bäume fällen zu müssen.

Der Boden, auf dem ehemals Wald gestanden hatte, ist karg und öde. Das Holz ist verheizt oder es steckt in Feldis Hütten und Booten. Die paar Gäste der anderen Inseln, die es auf der Suche nach unberührter Natur heute an Waldis kargen Strand verschlägt, lassen nur wenig Nutzbares zurück.
Und seine Erkenntnis „E gleich M C Quadrat“ ist auch niemandem Einsteinchen wert.

Und erst neulich war er da, der Moment, an dem Bachi begann, an Waldis Fähigkeit die geborgten Steinchen jemals zurückgeben zu können, zu zweifeln.
Bachi hatte sich lange gewehrt, den Zweifel hochkommen zu lassen. Denn anfangs hatte Waldi seine Schuld pünktlich mit vereinbartem Zins beglichen.
Aber irgendwann hatte Bachi beim Wandern durch Waldis Wald festgestellt, dass in der Mitte eine riesige Lichtung klaffte. "Der Wald schrumpft," schoss es ihm glühend heiß ein.

Und als Waldi mit der Bitte gekommen war, ihm neuen Kredit zu geben, weil er den alten gerade nicht zu begleichen im Stande wäre, war Bachi bereit, aber zu höherem Zins, wegen des Risikos, so hatte er argumentiert.
Und so war Waldi bereit gewesen, erst 12, dann 13 Steinchen für 10 geborgte zu schulden. Und mit dem Zinsgewinn war Bachi gut einkaufen, das wirkte lange beruhigend wie Baldrian auf Bachis Nerven.
Bloß mittlerweile steht Waldis Schuld bei 1000, und die verbliebenen Bäume werden bald an den Fingern einer Hand abzuzählen sein.

Fortsetzung folgt.

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Dienstag, 2. März 2010

Inselgelt (6) - Zinswirtschaft

Irgendwann war Bachi es leid, andauernd zu borgen, denn es bedeutete Arbeit und er musste den Überblick behalten, ohne dass ihm diese Anstrengung einen Nutzen gebracht hätte.
Außerdem dämmerte ihm das Risiko, wenn Geborgtes einmal nicht zurückgegeben würde, dann wäre es wohl zu seinem Schaden.

So zierte er sich, als Waldi wieder um Kredit ansuchte. Aber Waldi wollte sich nicht abwimmeln lassen, und als er gar vorschlug, für 10 Gelt später 11 zu geben, war Waldi wieder zufrieden, und er borgte. Das 11te war Lohn für seine Mühe, das konnte er für sich gegen Nützliches tauschen, und das gefiel ihm.

Und so ging das fortan.
Mit jedem Kredit von 10, den er gab, bekam er nach vereinbarter Frist 11 zurück.
Denn sobald Waldi danach war, tauschte er Holz bei Feldi gegen Gelt, das er ihm zuvor gegen Weizen gegeben hatte, und damit beglich er regelmäßig seine Schuld bei Bachi, der ihm bereitwillig neuen Kredit gab, 10 Gelt gegen 11, versteht sich.

Gab Bachi 10 Gelt Kredit, waren 22 Gelt unterwegs. 12 gedeckt durch die Ungiltigen auf der Bank und die anderen 10 als Eintrag im Schuldbuch. Zahlte Waldi zurück, waren zusätzliches Gelt und Schulden wieder verschwunden.
Den Zins berappte Waldi gewöhnlich aus dem Verkauf von Holz, und war er wieder mal nicht flüssig, so bat er um neuen Kredit von 10 gegen 11, und ließ Bachi eins davon als Lohn für den letzten Kredit zurück.
Bachi gab gerne und viel, denn Waldis Wald stand als Garant dafür, dass die Schulden beglichen würden, und 10 Kredit brachten 1, aber 20 brachten 2 im gleichen Zeitraum.

Auf diese Weise stieg die Menge an Gelt in präzise dem Maße, in dem Waldis Schulden stiegen.
Die Preise stiegen zwar auch ein wenig im Laufe der Zeit, aber ohne Besorgnis zu erregen. Denn Handel und Wandel stiegen umso mehr. Je mehr Zettel vorhanden, desto mehr konnte man kaufen, egal ob Weizen, Fisch oder Holz.
Feldi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser.
Bachi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser.
Waldi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser und allen mangelte an nichts.

Fortsetzung folgt.

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Montag, 1. März 2010

Inselgelt (5) - Kreditwirtschaft

Das ging so, Tag ein, Tag aus. Und als Waldi eines Tages vorbei kam, um Bachi zu bitten, ihm doch ein Steinchen zu leihen, weil er gerade keines hatte und keine Lust einen Baum zu fällen, verborgte der eines, und dachte nicht weiter darüber nach.
Denn Waldi hatte genug Bäume, und das Steinchen würde er ihm sicher bei nächster Gelegenheit wieder zurück geben.
Bachi eröffnete ein Schuldbuch, in das er schrieb: „Waldi schuldet ein Steinchen."

Waldi kam öfters, und borgte Steinchen. Und Bachi führte Buch, damit er den Überblick nicht verliere.
Gab Bachi ein Gelt-Gilt-Steinchen, vermerkte er im Schuldbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Ersuchte Waldi um Bar-Gelt-Gilt, denn die Verwendung der Zettel war er zunehmend gewohnt, nahm Bachi ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und im Schuldbuch vermerkte er „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Und nachdem Bar-Gelt-Gilt-los Einzug gehalten hatte, schrieb er ins Einlagenbuch „Waldi besitzt ein Steinchen“ und ins Schuldenbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.

Eines Tages begab es sich, dass alle 12 Gelt-Gilt-Steinchen bei Feldi waren, und Waldi kam, um eines zu borgen.
Bachi bemerkte, dass auf der Bank kein Steinchen zum Verborgen verblieben war. Das irritierte ihn, aber nach kurzem Sinnieren nahm er ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und in seinem Schuldbuch schrieb er wie immer „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Erst als Feldi tags danach zur Zettelbank gekommen war, um alle 12 Steinchen in Verwahrung zu geben, staunte Bachi nicht schlecht. Feldi hatte wie gewohnt gegen die Gelt-Gilt-Steinchen 12 Bar-Gelt-Gilt genommen, und Bachi bemerkte beim Studium seiner Bücher, dass er zwar 12 Ungiltige auf der Bank hatte, aber 13 Bar-Gelt-Gilt bei Feldi und Waldi waren. Er, Bachi, hatte ein seltsames 13. Ungiltiges auf seiner Bank. Ein virtuelles, unsichtbares Steinchen sozusagen. Eines, das als Waldis Schuld im Schuldbuch stand.
Das war Zauberei.

Ansonsten war alles gleich geblieben wie zuvor, und niemand außer Bachi wunderte sich.
Wenn mal einer kam, um Bar-Gelt-Gilt oder Buch-Gelt-Gilt gegen Gelt-Gilt-Steinchen zu tauschen, gab er Steinchen und zerriss Zettel oder verbuchte, und das ging immer so, bloß kam immer seltener jemand, um sich ein Geld-Gilt Steinchen zu holen. Bar-Gelt-Gilt war viel handlicher, und Buch-Gelt-Gilt ebenso.
Und seit Bachi Bar-Gelt-Gilt Bar-Gelt und Buch-Gelt-Gilt Buch-Gelt nannte, waren beide fast noch handlicher.

Bachi wunderte sich also, und er dachte nach über Bar-Gelt (die Zettelchen, die umherliefen) und Buch-Gelt (das im Einlagenbuch vermerkt war) und über Gelt-Gilt (die Steinchen, die umliefen) und die Ungiltigen (die Steinchen auf seiner Bank) und über die Geschuldeten (die im Schuldbuch vermerkt waren), und er stellte fest:

(i) Summe aus Gelt-Gilt plus Bar-Gelt plus Buch-Gelt ist immer gleich Ungiltige plus Schuld.
(ii) Summe aus Gelt-Gilt plus Ungiltige ist immer 12.

Und Bachi bemerkte, dass zwischen Gelt-Gilt, Bar-Gelt und Buch-Gelt kein wirklicher Unterschied war, und so beschloss er die drei seltsamen Brüder „Gelt“ zu nennen.

Fortsetzung folgt.

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Sonntag, 28. Februar 2010

Inselgelt (4) – Buchgeld

Wenn Feldi in Eile war, beim Hinterlegen eines Steinchens auf der Bank, dann konnte gut sein, dass er „Schreib’s auf!“ sagte, weil er nicht auf Bachis Bestätigungszettel warten wollte.
Und so eröffnete Bachi ein Einlagenbuch, in das er schrieb: „Feldi besitzt ein Steinchen.“

Bachi benannte, womit er sich beschäftigte.

Die Steinchen, die Feldi und Waldi und er selbst bei sich trugen, die nannte er „Gelt-Gilt“, weil man damit Gelt-Gilt-Geschäfte machen konnte.
Jene Steinchen, die auf der Zettelbank lagen, die nannte er „Ungiltige“, denn sie waren hinterlegt. Eingesperrt. Aus dem Verkehr.

Die Bestätigungszettel für hinterlegtes Gelt-Gilt, die mittlerweile wie Gelt-Gilt selbst und anstelle der Ungiltigen den Besitzer wechselten, die nannte er Bar-Gelt-Gilt.
Nicht ohne zu schmunzeln nannte er sie Bar-Gelt-Gilt, denn wer mit dem Zettel von Hinnen nach Dannen ging, der ging bar des Steinchens, also quasi nackend, vom Steinchen befreit.

Das, was Feldi eilig und ohne Beleg hinterlegt hatte, das nannte er Buch-Gelt-Gilt. Schlicht, weil es in seinem Einlagenbuch vermerktes Gelt-Gilt war, über das Feldi, oder wer es auch sonst hinterlegt hatte, jederzeit hätte verfügen können, so, als tauschte er einen der Zettel.

Und weil Feldi zerstreut war, und beim Tauschen an der Bachmündung weder Steinchen noch Zettel bei sich gehabt hatte, und Bachi aus der Not geholfen hatte, indem er vorschlug, das Steinchen, das Feldi Waldi gegen Holz zu bezahlen gehabt hätte einfach als Buch-Gelt-Gilt von Feldis Guthaben auf Waldis umzubuchen, gewöhnte sich auch Waldi an Buch-Gelt-Gilt, und verzichtete immer mehr auf das Ausstellen von Zettel.
Man verrechnete zunehmend Bar-Gelt-Gilt-los, und Bachi buchte, denn im Grunde war das Eine wie das Andere.

Fortsetzung folgt.

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Samstag, 27. Februar 2010

Inselgelt (3) – Bargeld

Die Zeit verging und alle hatten ihr Ein- und Auskommen, jeder auf seine Weise.

Feldi war der eifrigste. Er war einer von der Sorte, die nicht still sitzen kann. Der Weizen brauchte regelmäßig Hege und Pflege. Und wenn er gerade keine brauchte, fand Feldi tausend andere Dinge zu tun.
Er hatte sogar mit Holz, das er von Waldi getauscht hatte, ein Boot gebaut und trieb sich am Meer zum Fischen herum. Auf diese Weise hatte er benachbarte Inseln entdeckt und begonnen, dort seinen Überschuss an Weizen gegen Dies und Das zu tauschen.

Waldi war von der gemütlichen Sorte. Er saß gerne im Schatten seiner Bäume, betrachtete das Meer oder den Lauf der Sonne und dachte nach. Er kritzelte gerne Zeichnungen in den Sand und sprach mitunter sonderbare Dinge, „A Quadrat plus B Quadrat ist gleich C Quadrat“ beispielsweise, oder „Störe meine Kreise nicht“, wenn man ihn in seinen Gedanken unterbrach.
Wenn Waldi Weizen oder Fisch brauchte fällte er einen Baum, oder er erlaubte Feldi oder Bachi einen zu fällen, während er kritzelte, und gab ihn gegen Steinchen. Ansonsten genügte er sich selbst.

Bachi war ein Durchschnittstyp. Nicht so tunorientiert wie Feldi, und auch nicht so seinorientiert wie Waldi.
Bachi war gesellig. Vielleicht der Geselligste von allen Dreien.
Er liebte es, bei Feldi oder Waldi vorbei zu kommen, und Worte zu wechseln.
Und er genoss zunehmend Vertrauen bei Feldi und Waldi, denn Geselligkeit macht vertraut, und er hatte Gespür für Gerechtigkeit bewiesen, war es ihm doch mehrmals gelungen Streit zu schlichten und Recht herzustellen, wo Unrecht schien.

Bachi hatte sich eine Bank am Bach gezimmert, auf der saß er gerne, wenn er nicht gerade zum Worte wechseln unterwegs war.

Bachi wunderte sich nicht weiter, als Feldi eines Tages an seiner Bank vorbei kam, und ihn bat, seine, Feldis, Steinchen in Verwahrung zu nehmen. Er, Feldi, sei doch immer beschäftigt und unterwegs, und die Steinchen leicht anzubauen, aber ohne Ertrag. Und wo doch Bachi die längste Zeit ohnehin auf seiner Bank säße, könnte er doch genauso gut auf Feldis Steinchen aufpassen, auf dass sie keine Füßchen bekämen, und sich nicht aus dem Staube machten.

Anfangs hatte Feldi eine Bestätigung erbeten, wenn er ein Steinchen bei Bachi hinterlegte. „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ hatte Bachi dann auf ein getrocknetes Blatt geschrieben, mit Unterschrift, und Feldi war zufrieden.
Das Steinchen selbst legte Bachi sorgfältig auf die Bank.
Und wenn Feldi hie und da einen der Zettel gegen ein Steinchen zurücktauschen wollte, war das nie ein Problem. Bachi gab ihm das Steinchen von der Bank und zerriss den Zettel.

Weil Feldi oft in Eile war, konnte es gut vorkommen, dass er beim Tausch von Holz kein Steinchen dabei hatte, bloß Bachis Zettel. Feldi gab dann Waldi den Zettel an Steinchen Statt, und der nahm ihn ohne Bedenken, denn er wusste, gegen diesen Zettel gibt Bachi ein Steinchen.
Es war, als würde im Moment, in dem Feldi ihm den Zettel übergab, auch das Steinchen auf Bachis Bank in seinen Besitz wandern.

Und weil es bequem war, nicht selbst auf die Steinchen aufzupassen, dauerte es nicht lange, und Waldi deponierte auch Steinchen auf der Bank, und ließ sich Zettel dafür geben.

So hatte jeder seine Rolle im Spiel:
Feldi übte Tun, Waldi übte Sein, und Bachi saß auf seiner Bank und bewachte die Steinchen auf der Bank.

Fortsetzung folgt.

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Freitag, 26. Februar 2010

Inselgelt (2) - Geldwirtschaft

Mitunter gerieten die gewohnten Tauschverhältnisse allerdings gehörig durcheinander. Wenn Feldis Vorrat an Weizen zur Neige ging, und er nicht mehr tauschen wollte, beispielsweise. Da musste Waldi schon 3 Bund Holz für den Eimer bieten, bis Feldi einschlug. Oder wenn Waldi auf einem der 2 Bunde Holz, die er mühsam zum morgendlichen Treffpunkt an der Bachmündung geschleppt hatte, sitzen geblieben war, und lieber mit 1 Eimer Weizen oder meinetwegen mit einem mittelgroßen Fisch nach Hause gegangen wäre, als den schweren Holzbund wieder heim zu schleppen. Und der letzte genießbare Fisch der Saison war schon mal um stolze 5 Bund Holz an Feldi gegangen, weil Waldi bei 4 Bund aufgehört hatte, mitzubieten.

Das war überhaupt so eine Sache mit den Bedürfnissen.
Es konnte schon einmal vorkommen, dass Bachi gerne Holz gehabt hätte, aber Waldi gerade keinen Fisch wollte, aber Weizen. Dann musste Bachi versuchen, erst Fisch gegen Weizen, und dann Weizen gegen Holz zu tauschen. Das war mitunter recht nervig, aber irgendwie war man's gewohnt, und meistens traf man sich ohnehin morgens an der Bachmündung, da ließ sich in der Regel ein Kompromiss finden.
Vielleicht lagerte man auch irgendetwas ein, was man momentan eigentlich nicht wirklich brauchte, sehr wohl aber in der Erwartung, es später gegen Brauchbares eintauschen zu können.
So tauschte Bachi Fisch recht gerne gegen Holz, denn das bleibt sehr lange brauchbar, was man von seinem Fisch leider nicht behaupten kann.

Dass Bachi beim Fischen seinen Zeh an einem seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen gestoßen hatte, war vorerst ohne Bedeutung.
Bachi gefiel das glänzende Steinchen, und er hatte es nach Hause in seine bescheidene Hütte genommen.

Das Steinchen war hübsch, aber das war auch alles. Und einzigartig. Und unverwüstlich. Aber es war zu rein gar nichts zu gebrauchen. Selbst wenn man es schluckte, es kam irgendwann wieder zum Vorschein, etwas unansehnlich vielleicht, aber unversehrt. Und ohne irgendwelchen Nutzen zu stiften.
Im Laufe der Zeit gesellten sich weitere von diesen seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen hinzu. Bachis Sammlung war auf 12 Steinchen angewachsen, dann schien der Bach leer geräumt.
Bachis Verwunderung war groß, als ihm bei einer Verhandlung um 1 Eimer Weizen ein Steinchen aus dem Hosensack gekullert war, und Feldi sofort 6 Eimer Weizen dafür bot.
Und nachdem Bachi verblüfft akzeptierte, und Waldi kurz darauf Wind von den Steinchen bekam, gewannen die Steinchen an Bedeutung.

Es dauerte nicht lange, und man tauschte

Steinchen
[ 1 Stk]
Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>>
[ 1 Stk]
1
3
6
12
Holz >>>
[1 Bund]
1/3
1
2
4
Weizen >>>
[1 Eimer]
1/6
1/2
1
2
Fisch >>>
[1 mittelgroßer]
1/12
1/4
1/2
1

Erst tauschte man gegen Steinchen, weil sie hübsch waren.
Das Erste, das man selbst sein Eigen nannte, war ganz besonders hübsch. Das Zweite, war nicht mehr ganz so hübsch, wenn man es so recht besah, und das Dritte noch ein bisschen weniger. Obwohl, wenn man sie durcheinander mischte, konnte man nicht mehr so recht sagen, welches davon denn das Erste und welches das Dritte gewesen war.
Es war wohl eher wie mit den Weizenfladen. Das Erste schmeckt besonders lecker, wenn man Hunger hat. Aber das Dritte, wenn einem der Bauch schon steht, nun ja.

Aber da war dann doch noch etwas ganz besonderes an den Steinchen.
Sie waren nicht bloß hübsch. Sie waren handlich. Weit handlicher, als Holzbunde.
Und sie waren haltbar. Weit haltbarer als Getreide und weit weit haltbarer als Fisch.
Und sie waren ganz offensichtlich rar. Denn als Feldi und Waldi jeder 4 davon eingetauscht hatten, hatte Bachi plötzlich den Spaß daran verloren, weitere zu tauschen, als ging' es um den letzten Fisch.

Die Steinchen von Feldi und Waldi glänzten unverändert schön, aber weil sich Feldi und Waldi an ihnen über kurz oder lang satt gesehen hatten, war's ihnen irgendwann einerlei, ob sie jetzt 5 oder 1 davon besaßen. Und weil sie es Leid waren, Eimer und Bunde früh morgens an die Bachmündung zu schleppen, einigten sie sich, was sie gerade brauchten gegen diese Steinchen zu tauschen:

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>> 
[ 1 Stk]
3
6
12

Das war äußerst komfortabel. Man musste weit weniger schleppen, die Tauschrelationen waren einfach zu merken, und wenn man gerade mal gar nichts brauchte, ein Steinchen war allemal gut genug, um den Wert des Getauschten zu konservieren, und später Brauchbares zurück zu tauschen.
Das sah auch Bachi ein, nachdem er 1 Steinchen nach einem guten Fang gegen 12 seiner Fische zurück getauscht hatte, die er unmöglich alleine hätte essen können, bevor sie verdorben wären.

Und ein freundliches Ritual hatte sich auch eingestellt, mit dem Steinchentausch: "3 Bund Holz macht 1 Steinchen, gelt?" - " Ein Steinchen, gilt!" Das war der Spruch, der ein gelungenes Holzgeschäft besiegelte.
Gelt, ausgesprochen "gööt" [gø t], das steht für "nicht wahr!" (engl. "isn't it!"), das hatte Bachi irgend wann einmal in Wien aufgeschnappt, lange bevor er an Land gespült worden war. Gilt, ausgesprochen "güüt"[gy t], kommt auch von dort, und Bachi fand es lustig, gööt und güüt zu sagen, und die Anderen machten mit.

Fortsetzung folgt.

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Donnerstag, 25. Februar 2010

Inselgelt (1) - Tauschwirtschaft

Also mal angenommen, irgendwo im Nirgendwo ist eine Insel, auf der leben 3 Menschen.
Feldi besitzt das Ackerland. Das war schon immer so, warum weiß keiner so genau, tut auch nichts zur Sache.
Waldi besitzt den Wald.
Bachi besitzt weder Grund noch Boden. Er war als Letzter auf die Insel gekommen, und weil Feld und Wald besetzt waren, wohnt er am Bach. Der bildet die Grenze zwischen Wald und Feld, und war und ist so eine Art von Niemandsland.

Feldi baut seit immer Weizen, Waldi schlägt Holz. Solange sie zu zweit waren, tauschten sie untereinander, was sie hatten.
Feldi tauschte seinen Weizen gegen Holz, denn das kann man gut gebrauchen, um eine Hütte zu bauen und instand zu halten, und um Feuer zu machen wenn's kalt ist und zum Kochen.
Waldi tauschte sein Holz gegen Weizen, denn aus dem lassen sich köstliche Fladen backen, und mehr braucht es eigentlich nicht, um zu leben.

Das war recht einfach zu tauschen, denn beide hatten genug von jedem. Man einigte sich rasch:

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Holz   >>>
[1 Bund]
1
2
Weizen   >>>
[1 Eimer]
1/2
1

Mit Bachi hatten sich die Verhältnisse etwas verändert. Er war irgendwann an Land gespült worden, ohne Hab und Gut. Und weil Feldi und Waldi misstrauisch waren ihm gegenüber, hatte er beschlossen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Er hatte Fische im Bach gefangen, und eine Hütte im Sumpf gebaut. Das störte Feldi und Waldi nicht weiter, und sie gewöhnten sich an den Dritten im Bunde.

Bachi hatte damit begonnen, hie und da einen seiner gefangenen Fische gegen etwas Weizen oder Holz einzutauschen. Feldi und Waldi schätzen den Fisch, er bringt ein klein wenig Vielfalt in die eintönige Fladenküche, und Bachi schätzt Weizen und Holz aus Gründen, die nahe liegen.

Dem Tauschen von Holz, Weizen und Fisch war anfangs ein eifriges Feilschen voraus gegangen.
Mit der Zeit einigte man sich aber auf gleichbleibende Tarife, und meist gab's für

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[mittegroß]
Holz   >>>
[1 Bund]
1
2
4
Weizen   >>>
[1 Eimer]
1/2
1
2
Fisch   >>>
[1 mittelgroßer]
1/4
1/2
1

Fortsetzung folgt.

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