Sonntag, 28. Februar 2010

Inselgelt (4) – Buchgeld

Wenn Feldi in Eile war, beim Hinterlegen eines Steinchens auf der Bank, dann konnte gut sein, dass er „Schreib’s auf!“ sagte, weil er nicht auf Bachis Bestätigungszettel warten wollte.
Und so eröffnete Bachi ein Einlagenbuch, in das er schrieb: „Feldi besitzt ein Steinchen.“

Bachi benannte, womit er sich beschäftigte.

Die Steinchen, die Feldi und Waldi und er selbst bei sich trugen, die nannte er „Gelt-Gilt“, weil man damit Gelt-Gilt-Geschäfte machen konnte.
Jene Steinchen, die auf der Zettelbank lagen, die nannte er „Ungiltige“, denn sie waren hinterlegt. Eingesperrt. Aus dem Verkehr.

Die Bestätigungszettel für hinterlegtes Gelt-Gilt, die mittlerweile wie Gelt-Gilt selbst und anstelle der Ungiltigen den Besitzer wechselten, die nannte er Bar-Gelt-Gilt.
Nicht ohne zu schmunzeln nannte er sie Bar-Gelt-Gilt, denn wer mit dem Zettel von Hinnen nach Dannen ging, der ging bar des Steinchens, also quasi nackend, vom Steinchen befreit.

Das, was Feldi eilig und ohne Beleg hinterlegt hatte, das nannte er Buch-Gelt-Gilt. Schlicht, weil es in seinem Einlagenbuch vermerktes Gelt-Gilt war, über das Feldi, oder wer es auch sonst hinterlegt hatte, jederzeit hätte verfügen können, so, als tauschte er einen der Zettel.

Und weil Feldi zerstreut war, und beim Tauschen an der Bachmündung weder Steinchen noch Zettel bei sich gehabt hatte, und Bachi aus der Not geholfen hatte, indem er vorschlug, das Steinchen, das Feldi Waldi gegen Holz zu bezahlen gehabt hätte einfach als Buch-Gelt-Gilt von Feldis Guthaben auf Waldis umzubuchen, gewöhnte sich auch Waldi an Buch-Gelt-Gilt, und verzichtete immer mehr auf das Ausstellen von Zettel.
Man verrechnete zunehmend Bar-Gelt-Gilt-los, und Bachi buchte, denn im Grunde war das Eine wie das Andere.

Fortsetzung folgt.

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Samstag, 27. Februar 2010

Inselgelt (3) – Bargeld

Die Zeit verging und alle hatten ihr Ein- und Auskommen, jeder auf seine Weise.

Feldi war der eifrigste. Er war einer von der Sorte, die nicht still sitzen kann. Der Weizen brauchte regelmäßig Hege und Pflege. Und wenn er gerade keine brauchte, fand Feldi tausend andere Dinge zu tun.
Er hatte sogar mit Holz, das er von Waldi getauscht hatte, ein Boot gebaut und trieb sich am Meer zum Fischen herum. Auf diese Weise hatte er benachbarte Inseln entdeckt und begonnen, dort seinen Überschuss an Weizen gegen Dies und Das zu tauschen.

Waldi war von der gemütlichen Sorte. Er saß gerne im Schatten seiner Bäume, betrachtete das Meer oder den Lauf der Sonne und dachte nach. Er kritzelte gerne Zeichnungen in den Sand und sprach mitunter sonderbare Dinge, „A Quadrat plus B Quadrat ist gleich C Quadrat“ beispielsweise, oder „Störe meine Kreise nicht“, wenn man ihn in seinen Gedanken unterbrach.
Wenn Waldi Weizen oder Fisch brauchte fällte er einen Baum, oder er erlaubte Feldi oder Bachi einen zu fällen, während er kritzelte, und gab ihn gegen Steinchen. Ansonsten genügte er sich selbst.

Bachi war ein Durchschnittstyp. Nicht so tunorientiert wie Feldi, und auch nicht so seinorientiert wie Waldi.
Bachi war gesellig. Vielleicht der Geselligste von allen Dreien.
Er liebte es, bei Feldi oder Waldi vorbei zu kommen, und Worte zu wechseln.
Und er genoss zunehmend Vertrauen bei Feldi und Waldi, denn Geselligkeit macht vertraut, und er hatte Gespür für Gerechtigkeit bewiesen, war es ihm doch mehrmals gelungen Streit zu schlichten und Recht herzustellen, wo Unrecht schien.

Bachi hatte sich eine Bank am Bach gezimmert, auf der saß er gerne, wenn er nicht gerade zum Worte wechseln unterwegs war.

Bachi wunderte sich nicht weiter, als Feldi eines Tages an seiner Bank vorbei kam, und ihn bat, seine, Feldis, Steinchen in Verwahrung zu nehmen. Er, Feldi, sei doch immer beschäftigt und unterwegs, und die Steinchen leicht anzubauen, aber ohne Ertrag. Und wo doch Bachi die längste Zeit ohnehin auf seiner Bank säße, könnte er doch genauso gut auf Feldis Steinchen aufpassen, auf dass sie keine Füßchen bekämen, und sich nicht aus dem Staube machten.

Anfangs hatte Feldi eine Bestätigung erbeten, wenn er ein Steinchen bei Bachi hinterlegte. „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ hatte Bachi dann auf ein getrocknetes Blatt geschrieben, mit Unterschrift, und Feldi war zufrieden.
Das Steinchen selbst legte Bachi sorgfältig auf die Bank.
Und wenn Feldi hie und da einen der Zettel gegen ein Steinchen zurücktauschen wollte, war das nie ein Problem. Bachi gab ihm das Steinchen von der Bank und zerriss den Zettel.

Weil Feldi oft in Eile war, konnte es gut vorkommen, dass er beim Tausch von Holz kein Steinchen dabei hatte, bloß Bachis Zettel. Feldi gab dann Waldi den Zettel an Steinchen Statt, und der nahm ihn ohne Bedenken, denn er wusste, gegen diesen Zettel gibt Bachi ein Steinchen.
Es war, als würde im Moment, in dem Feldi ihm den Zettel übergab, auch das Steinchen auf Bachis Bank in seinen Besitz wandern.

Und weil es bequem war, nicht selbst auf die Steinchen aufzupassen, dauerte es nicht lange, und Waldi deponierte auch Steinchen auf der Bank, und ließ sich Zettel dafür geben.

So hatte jeder seine Rolle im Spiel:
Feldi übte Tun, Waldi übte Sein, und Bachi saß auf seiner Bank und bewachte die Steinchen auf der Bank.

Fortsetzung folgt.

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Freitag, 26. Februar 2010

Inselgelt (2) - Geldwirtschaft

Mitunter gerieten die gewohnten Tauschverhältnisse allerdings gehörig durcheinander. Wenn Feldis Vorrat an Weizen zur Neige ging, und er nicht mehr tauschen wollte, beispielsweise. Da musste Waldi schon 3 Bund Holz für den Eimer bieten, bis Feldi einschlug. Oder wenn Waldi auf einem der 2 Bunde Holz, die er mühsam zum morgendlichen Treffpunkt an der Bachmündung geschleppt hatte, sitzen geblieben war, und lieber mit 1 Eimer Weizen oder meinetwegen mit einem mittelgroßen Fisch nach Hause gegangen wäre, als den schweren Holzbund wieder heim zu schleppen. Und der letzte genießbare Fisch der Saison war schon mal um stolze 5 Bund Holz an Feldi gegangen, weil Waldi bei 4 Bund aufgehört hatte, mitzubieten.

Das war überhaupt so eine Sache mit den Bedürfnissen.
Es konnte schon einmal vorkommen, dass Bachi gerne Holz gehabt hätte, aber Waldi gerade keinen Fisch wollte, aber Weizen. Dann musste Bachi versuchen, erst Fisch gegen Weizen, und dann Weizen gegen Holz zu tauschen. Das war mitunter recht nervig, aber irgendwie war man's gewohnt, und meistens traf man sich ohnehin morgens an der Bachmündung, da ließ sich in der Regel ein Kompromiss finden.
Vielleicht lagerte man auch irgendetwas ein, was man momentan eigentlich nicht wirklich brauchte, sehr wohl aber in der Erwartung, es später gegen Brauchbares eintauschen zu können.
So tauschte Bachi Fisch recht gerne gegen Holz, denn das bleibt sehr lange brauchbar, was man von seinem Fisch leider nicht behaupten kann.

Dass Bachi beim Fischen seinen Zeh an einem seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen gestoßen hatte, war vorerst ohne Bedeutung.
Bachi gefiel das glänzende Steinchen, und er hatte es nach Hause in seine bescheidene Hütte genommen.

Das Steinchen war hübsch, aber das war auch alles. Und einzigartig. Und unverwüstlich. Aber es war zu rein gar nichts zu gebrauchen. Selbst wenn man es schluckte, es kam irgendwann wieder zum Vorschein, etwas unansehnlich vielleicht, aber unversehrt. Und ohne irgendwelchen Nutzen zu stiften.
Im Laufe der Zeit gesellten sich weitere von diesen seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen hinzu. Bachis Sammlung war auf 12 Steinchen angewachsen, dann schien der Bach leer geräumt.
Bachis Verwunderung war groß, als ihm bei einer Verhandlung um 1 Eimer Weizen ein Steinchen aus dem Hosensack gekullert war, und Feldi sofort 6 Eimer Weizen dafür bot.
Und nachdem Bachi verblüfft akzeptierte, und Waldi kurz darauf Wind von den Steinchen bekam, gewannen die Steinchen an Bedeutung.

Es dauerte nicht lange, und man tauschte

Steinchen
[ 1 Stk]
Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>>
[ 1 Stk]
1
3
6
12
Holz >>>
[1 Bund]
1/3
1
2
4
Weizen >>>
[1 Eimer]
1/6
1/2
1
2
Fisch >>>
[1 mittelgroßer]
1/12
1/4
1/2
1

Erst tauschte man gegen Steinchen, weil sie hübsch waren.
Das Erste, das man selbst sein Eigen nannte, war ganz besonders hübsch. Das Zweite, war nicht mehr ganz so hübsch, wenn man es so recht besah, und das Dritte noch ein bisschen weniger. Obwohl, wenn man sie durcheinander mischte, konnte man nicht mehr so recht sagen, welches davon denn das Erste und welches das Dritte gewesen war.
Es war wohl eher wie mit den Weizenfladen. Das Erste schmeckt besonders lecker, wenn man Hunger hat. Aber das Dritte, wenn einem der Bauch schon steht, nun ja.

Aber da war dann doch noch etwas ganz besonderes an den Steinchen.
Sie waren nicht bloß hübsch. Sie waren handlich. Weit handlicher, als Holzbunde.
Und sie waren haltbar. Weit haltbarer als Getreide und weit weit haltbarer als Fisch.
Und sie waren ganz offensichtlich rar. Denn als Feldi und Waldi jeder 4 davon eingetauscht hatten, hatte Bachi plötzlich den Spaß daran verloren, weitere zu tauschen, als ging' es um den letzten Fisch.

Die Steinchen von Feldi und Waldi glänzten unverändert schön, aber weil sich Feldi und Waldi an ihnen über kurz oder lang satt gesehen hatten, war's ihnen irgendwann einerlei, ob sie jetzt 5 oder 1 davon besaßen. Und weil sie es Leid waren, Eimer und Bunde früh morgens an die Bachmündung zu schleppen, einigten sie sich, was sie gerade brauchten gegen diese Steinchen zu tauschen:

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>> 
[ 1 Stk]
3
6
12

Das war äußerst komfortabel. Man musste weit weniger schleppen, die Tauschrelationen waren einfach zu merken, und wenn man gerade mal gar nichts brauchte, ein Steinchen war allemal gut genug, um den Wert des Getauschten zu konservieren, und später Brauchbares zurück zu tauschen.
Das sah auch Bachi ein, nachdem er 1 Steinchen nach einem guten Fang gegen 12 seiner Fische zurück getauscht hatte, die er unmöglich alleine hätte essen können, bevor sie verdorben wären.

Und ein freundliches Ritual hatte sich auch eingestellt, mit dem Steinchentausch: "3 Bund Holz macht 1 Steinchen, gelt?" - " Ein Steinchen, gilt!" Das war der Spruch, der ein gelungenes Holzgeschäft besiegelte.
Gelt, ausgesprochen "gööt" [gø t], das steht für "nicht wahr!" (engl. "isn't it!"), das hatte Bachi irgend wann einmal in Wien aufgeschnappt, lange bevor er an Land gespült worden war. Gilt, ausgesprochen "güüt"[gy t], kommt auch von dort, und Bachi fand es lustig, gööt und güüt zu sagen, und die Anderen machten mit.

Fortsetzung folgt.

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Donnerstag, 25. Februar 2010

Inselgelt (1) - Tauschwirtschaft

Also mal angenommen, irgendwo im Nirgendwo ist eine Insel, auf der leben 3 Menschen.
Feldi besitzt das Ackerland. Das war schon immer so, warum weiß keiner so genau, tut auch nichts zur Sache.
Waldi besitzt den Wald.
Bachi besitzt weder Grund noch Boden. Er war als Letzter auf die Insel gekommen, und weil Feld und Wald besetzt waren, wohnt er am Bach. Der bildet die Grenze zwischen Wald und Feld, und war und ist so eine Art von Niemandsland.

Feldi baut seit immer Weizen, Waldi schlägt Holz. Solange sie zu zweit waren, tauschten sie untereinander, was sie hatten.
Feldi tauschte seinen Weizen gegen Holz, denn das kann man gut gebrauchen, um eine Hütte zu bauen und instand zu halten, und um Feuer zu machen wenn's kalt ist und zum Kochen.
Waldi tauschte sein Holz gegen Weizen, denn aus dem lassen sich köstliche Fladen backen, und mehr braucht es eigentlich nicht, um zu leben.

Das war recht einfach zu tauschen, denn beide hatten genug von jedem. Man einigte sich rasch:

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Holz   >>>
[1 Bund]
1
2
Weizen   >>>
[1 Eimer]
1/2
1

Mit Bachi hatten sich die Verhältnisse etwas verändert. Er war irgendwann an Land gespült worden, ohne Hab und Gut. Und weil Feldi und Waldi misstrauisch waren ihm gegenüber, hatte er beschlossen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Er hatte Fische im Bach gefangen, und eine Hütte im Sumpf gebaut. Das störte Feldi und Waldi nicht weiter, und sie gewöhnten sich an den Dritten im Bunde.

Bachi hatte damit begonnen, hie und da einen seiner gefangenen Fische gegen etwas Weizen oder Holz einzutauschen. Feldi und Waldi schätzen den Fisch, er bringt ein klein wenig Vielfalt in die eintönige Fladenküche, und Bachi schätzt Weizen und Holz aus Gründen, die nahe liegen.

Dem Tauschen von Holz, Weizen und Fisch war anfangs ein eifriges Feilschen voraus gegangen.
Mit der Zeit einigte man sich aber auf gleichbleibende Tarife, und meist gab's für

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[mittegroß]
Holz   >>>
[1 Bund]
1
2
4
Weizen   >>>
[1 Eimer]
1/2
1
2
Fisch   >>>
[1 mittelgroßer]
1/4
1/2
1

Fortsetzung folgt.

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