Montag, 1. März 2010

Inselgelt (5) - Kreditwirtschaft

Das ging so, Tag ein, Tag aus. Und als Waldi eines Tages vorbei kam, um Bachi zu bitten, ihm doch ein Steinchen zu leihen, weil er gerade keines hatte und keine Lust einen Baum zu fällen, verborgte der eines, und dachte nicht weiter darüber nach.
Denn Waldi hatte genug Bäume, und das Steinchen würde er ihm sicher bei nächster Gelegenheit wieder zurück geben.
Bachi eröffnete ein Schuldbuch, in das er schrieb: „Waldi schuldet ein Steinchen."

Waldi kam öfters, und borgte Steinchen. Und Bachi führte Buch, damit er den Überblick nicht verliere.
Gab Bachi ein Gelt-Gilt-Steinchen, vermerkte er im Schuldbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Ersuchte Waldi um Bar-Gelt-Gilt, denn die Verwendung der Zettel war er zunehmend gewohnt, nahm Bachi ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und im Schuldbuch vermerkte er „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Und nachdem Bar-Gelt-Gilt-los Einzug gehalten hatte, schrieb er ins Einlagenbuch „Waldi besitzt ein Steinchen“ und ins Schuldenbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.

Eines Tages begab es sich, dass alle 12 Gelt-Gilt-Steinchen bei Feldi waren, und Waldi kam, um eines zu borgen.
Bachi bemerkte, dass auf der Bank kein Steinchen zum Verborgen verblieben war. Das irritierte ihn, aber nach kurzem Sinnieren nahm er ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und in seinem Schuldbuch schrieb er wie immer „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Erst als Feldi tags danach zur Zettelbank gekommen war, um alle 12 Steinchen in Verwahrung zu geben, staunte Bachi nicht schlecht. Feldi hatte wie gewohnt gegen die Gelt-Gilt-Steinchen 12 Bar-Gelt-Gilt genommen, und Bachi bemerkte beim Studium seiner Bücher, dass er zwar 12 Ungiltige auf der Bank hatte, aber 13 Bar-Gelt-Gilt bei Feldi und Waldi waren. Er, Bachi, hatte ein seltsames 13. Ungiltiges auf seiner Bank. Ein virtuelles, unsichtbares Steinchen sozusagen. Eines, das als Waldis Schuld im Schuldbuch stand.
Das war Zauberei.

Ansonsten war alles gleich geblieben wie zuvor, und niemand außer Bachi wunderte sich.
Wenn mal einer kam, um Bar-Gelt-Gilt oder Buch-Gelt-Gilt gegen Gelt-Gilt-Steinchen zu tauschen, gab er Steinchen und zerriss Zettel oder verbuchte, und das ging immer so, bloß kam immer seltener jemand, um sich ein Geld-Gilt Steinchen zu holen. Bar-Gelt-Gilt war viel handlicher, und Buch-Gelt-Gilt ebenso.
Und seit Bachi Bar-Gelt-Gilt Bar-Gelt und Buch-Gelt-Gilt Buch-Gelt nannte, waren beide fast noch handlicher.

Bachi wunderte sich also, und er dachte nach über Bar-Gelt (die Zettelchen, die umherliefen) und Buch-Gelt (das im Einlagenbuch vermerkt war) und über Gelt-Gilt (die Steinchen, die umliefen) und die Ungiltigen (die Steinchen auf seiner Bank) und über die Geschuldeten (die im Schuldbuch vermerkt waren), und er stellte fest:

(i) Summe aus Gelt-Gilt plus Bar-Gelt plus Buch-Gelt ist immer gleich Ungiltige plus Schuld.
(ii) Summe aus Gelt-Gilt plus Ungiltige ist immer 12.

Und Bachi bemerkte, dass zwischen Gelt-Gilt, Bar-Gelt und Buch-Gelt kein wirklicher Unterschied war, und so beschloss er die drei seltsamen Brüder „Gelt“ zu nennen.

Fortsetzung folgt.

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