Freitag, 5. März 2010

Inselgelt (9) – Wer hat Schuld?

Feldi und Bachi sitzen beisammen. Sie machen sich Sorgen. Weniger um Waldi selbst. Der ist ersetzbar, denn dort draußen auf der endlos großen Scheibe, da sind weitere Inseln und dahinter noch weitere. Feldis Handel und Wandel läuft gut, und Bachi gibt gerne Kredit.
Bloß die 1.000 Steinchen, die Waldi Bachi schuldet, machen Bachi ärgerlich.
Und die 1.000 Steinchen, die Waldi Feldi schuldet, machen Feldi ärgerlich, denn er hat auch geborgt, das mit dem Zins war zu verlockend.
Und so machen die 2.000 geborgten Steinchen Bachi und Feldi ärgerlich, weil sie angesichts der schrecklichen Lichtung in Waldis Wald um diesen Besitz bangen.
Längst haben sie vergessen, dass auf Bachis Zettelbank bloß 12 Steinchen liegen, wozu auch. Die sind völlig ohne Bedeutung. Und wen schert es, ob sie überhaupt noch dort sind.

Auch Waldi ärgern die 2.000 geborgten Steinchen. Denn irgendwie deucht ihm diese Schuld eigenartig. Feldi und Bachi besitzen so gut wie alles, was man auf dieser Insel besitzen kann, und er, Waldi, hat demnächst gerade noch so viele Bäume, wie man an den Fingern einer Hand abzählen kann.

Selber schuld, könnte man meinen.
Wäre er eben fleißiger gewesen, könnte man sagen.
Er hätte eben das Wachstumsspiel der Anderen mitspielen müssen.

Und während Feldi und Bachi keinen Gedanken verschwenden auf die Frage, wo das Gelt eigentlich her gekommen ist, das ihre Geschäfte beflügelt, sitzt Waldi im Schatten eines Baumes, und blickt auf’s Meer hinaus.

Wie kann es kommen, dass einer 2.000 Steinchen schuldet, wo doch niemals mehr als 12 Steinchen gleichzeitig zu sehen gewesen waren.
Er kritzelt „Gelt = Ungiltiges + Schuld“ in den Sand und denkt:
„Wäre diese Insel jetzt eine Kugel, dann hätten Feldi und Bachi ein ernstes Problem.“

Fortsetzung folgt nicht.

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Donnerstag, 4. März 2010

Inselgelt (8) - Kreditfalle

Auch Waldis Nerven liegen lange schon blank, denn seine Lage ist ihm längst bewusst.
Er hatte zwar begonnen, neue Bäumchen zu setzen. Die wachsen zwar stätig, aber elendiglich langsam. Die Lichtung hingegen, die wächst rasch und immer schneller noch dazu.
Und auch sonst ist er in denkbar schlechter Position. Was kann er groß ausrichten gegen Feldi, der nebenan schaltet und waltet, und gegen Bachi, der auf seiner Bank sitzt, und Herr ist über Gelt, und der von den Zinsen lebt, die Waldi (und andere) bereit gewesen waren, zu akzeptieren, und die er, Waldi, nun nicht imstande sein würde, mitsamt den angehäuften Schulden jemals zu begleichen.
Und er hatte Bachi im Ringen um neuen Kredit gar manches Märchen aufgetischt, um seine Lage und Kreditwürdigkeit zu beschönigen, die lange unbemerkt gebliebene Lichtung im Walde inklusive.

Und Bachis jüngstes Angebot, ihm letztmals 10 gegen 15 zu borgen, verbunden mit dem drängend vorgebrachten Rat, zu sparen, und zu sehen, seine Schulden doch jetzt endlich in den Griff zu bekommen, kommt ihm da gerade recht.

Da ist ihm die Erkenntnis, dass die Welt, auf der wir alle leben, eine Kugel ist, und keine unbegrenzte Scheibe, wie Feldi und Bachi hartnäckig zu glauben scheinen, auch kein Trost, fürwahr.

Fortsetzung folgt.
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Mittwoch, 3. März 2010

Inselgelt (7) – Wirtschaftskraft & Kreditwürdigkeit

Viele Jahre sind seitdem vergangen. Die Dinge haben sich verändert. Anfangs unmerklich, mit der Zeit aber immer deutlicher und immer rascher.

Feldi hatte eine Menge von Dingen unterschiedlicher Nützlichkeit angehäuft.
Heute besitzt er Felder, Boote, treibt Handel. Gäste von benachbarten Inseln kommen auf Besuch, wohnen in eigens für sie gebauten Hütten am Strand, essen seine Fladenbrote, und manche arbeiten für ihn.
Das alles bringen Reichtum und Wohlstand.

Bachi sitzt auf seiner Bank und hat Anteil an Feldis Erfolg. Nicht nur Waldi hat Kredit bei ihm genommen, auch Feldi zahlt Zinsen, und gar mancher Bewohner benachbarter Inseln hat seine Geltgeschäfte Bachi anvertraut. Bachi hat einen Helfer angeheuert und ihm beigebracht, seine Bücher zu halten, und es fällt ihm leicht, dessen Mühe aus den Zinseinnahmen zu entgelten.

Waldi hingegen hat den Großteil seiner Bäume gefällt. Anfangs gemütlich, später aber immer eiliger, wegen der Zinslast. Und darüber hatte er ganz übersehen, sich rechtzeitig um junge Bäume zu bemühen.
Die wuchsen weit langsamer nach, als er fällen musste. Und daran ändert auch nicht, dass er sich mittlerweile als Arbeiter auf Feldis Feldern verdingt, um etwas Gelt dazuzuverdienen, in der Hoffnung, dann weniger Bäume fällen zu müssen.

Der Boden, auf dem ehemals Wald gestanden hatte, ist karg und öde. Das Holz ist verheizt oder es steckt in Feldis Hütten und Booten. Die paar Gäste der anderen Inseln, die es auf der Suche nach unberührter Natur heute an Waldis kargen Strand verschlägt, lassen nur wenig Nutzbares zurück.
Und seine Erkenntnis „E gleich M C Quadrat“ ist auch niemandem Einsteinchen wert.

Und erst neulich war er da, der Moment, an dem Bachi begann, an Waldis Fähigkeit die geborgten Steinchen jemals zurückgeben zu können, zu zweifeln.
Bachi hatte sich lange gewehrt, den Zweifel hochkommen zu lassen. Denn anfangs hatte Waldi seine Schuld pünktlich mit vereinbartem Zins beglichen.
Aber irgendwann hatte Bachi beim Wandern durch Waldis Wald festgestellt, dass in der Mitte eine riesige Lichtung klaffte. "Der Wald schrumpft," schoss es ihm glühend heiß ein.

Und als Waldi mit der Bitte gekommen war, ihm neuen Kredit zu geben, weil er den alten gerade nicht zu begleichen im Stande wäre, war Bachi bereit, aber zu höherem Zins, wegen des Risikos, so hatte er argumentiert.
Und so war Waldi bereit gewesen, erst 12, dann 13 Steinchen für 10 geborgte zu schulden. Und mit dem Zinsgewinn war Bachi gut einkaufen, das wirkte lange beruhigend wie Baldrian auf Bachis Nerven.
Bloß mittlerweile steht Waldis Schuld bei 1000, und die verbliebenen Bäume werden bald an den Fingern einer Hand abzuzählen sein.

Fortsetzung folgt.

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Dienstag, 2. März 2010

Inselgelt (6) - Zinswirtschaft

Irgendwann war Bachi es leid, andauernd zu borgen, denn es bedeutete Arbeit und er musste den Überblick behalten, ohne dass ihm diese Anstrengung einen Nutzen gebracht hätte.
Außerdem dämmerte ihm das Risiko, wenn Geborgtes einmal nicht zurückgegeben würde, dann wäre es wohl zu seinem Schaden.

So zierte er sich, als Waldi wieder um Kredit ansuchte. Aber Waldi wollte sich nicht abwimmeln lassen, und als er gar vorschlug, für 10 Gelt später 11 zu geben, war Waldi wieder zufrieden, und er borgte. Das 11te war Lohn für seine Mühe, das konnte er für sich gegen Nützliches tauschen, und das gefiel ihm.

Und so ging das fortan.
Mit jedem Kredit von 10, den er gab, bekam er nach vereinbarter Frist 11 zurück.
Denn sobald Waldi danach war, tauschte er Holz bei Feldi gegen Gelt, das er ihm zuvor gegen Weizen gegeben hatte, und damit beglich er regelmäßig seine Schuld bei Bachi, der ihm bereitwillig neuen Kredit gab, 10 Gelt gegen 11, versteht sich.

Gab Bachi 10 Gelt Kredit, waren 22 Gelt unterwegs. 12 gedeckt durch die Ungiltigen auf der Bank und die anderen 10 als Eintrag im Schuldbuch. Zahlte Waldi zurück, waren zusätzliches Gelt und Schulden wieder verschwunden.
Den Zins berappte Waldi gewöhnlich aus dem Verkauf von Holz, und war er wieder mal nicht flüssig, so bat er um neuen Kredit von 10 gegen 11, und ließ Bachi eins davon als Lohn für den letzten Kredit zurück.
Bachi gab gerne und viel, denn Waldis Wald stand als Garant dafür, dass die Schulden beglichen würden, und 10 Kredit brachten 1, aber 20 brachten 2 im gleichen Zeitraum.

Auf diese Weise stieg die Menge an Gelt in präzise dem Maße, in dem Waldis Schulden stiegen.
Die Preise stiegen zwar auch ein wenig im Laufe der Zeit, aber ohne Besorgnis zu erregen. Denn Handel und Wandel stiegen umso mehr. Je mehr Zettel vorhanden, desto mehr konnte man kaufen, egal ob Weizen, Fisch oder Holz.
Feldi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser.
Bachi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser.
Waldi war zufrieden, denn seine Geschäfte liefen gut und immer besser und allen mangelte an nichts.

Fortsetzung folgt.

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Montag, 1. März 2010

Inselgelt (5) - Kreditwirtschaft

Das ging so, Tag ein, Tag aus. Und als Waldi eines Tages vorbei kam, um Bachi zu bitten, ihm doch ein Steinchen zu leihen, weil er gerade keines hatte und keine Lust einen Baum zu fällen, verborgte der eines, und dachte nicht weiter darüber nach.
Denn Waldi hatte genug Bäume, und das Steinchen würde er ihm sicher bei nächster Gelegenheit wieder zurück geben.
Bachi eröffnete ein Schuldbuch, in das er schrieb: „Waldi schuldet ein Steinchen."

Waldi kam öfters, und borgte Steinchen. Und Bachi führte Buch, damit er den Überblick nicht verliere.
Gab Bachi ein Gelt-Gilt-Steinchen, vermerkte er im Schuldbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Ersuchte Waldi um Bar-Gelt-Gilt, denn die Verwendung der Zettel war er zunehmend gewohnt, nahm Bachi ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und im Schuldbuch vermerkte er „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Und nachdem Bar-Gelt-Gilt-los Einzug gehalten hatte, schrieb er ins Einlagenbuch „Waldi besitzt ein Steinchen“ und ins Schuldenbuch „Waldi schuldet ein Steinchen“.

Eines Tages begab es sich, dass alle 12 Gelt-Gilt-Steinchen bei Feldi waren, und Waldi kam, um eines zu borgen.
Bachi bemerkte, dass auf der Bank kein Steinchen zum Verborgen verblieben war. Das irritierte ihn, aber nach kurzem Sinnieren nahm er ein trockenes Blatt, schrieb „Gegen diesen Zettel gebe ich ein Steinchen!“ mit Unterschrift, und in seinem Schuldbuch schrieb er wie immer „Waldi schuldet ein Steinchen“.
Erst als Feldi tags danach zur Zettelbank gekommen war, um alle 12 Steinchen in Verwahrung zu geben, staunte Bachi nicht schlecht. Feldi hatte wie gewohnt gegen die Gelt-Gilt-Steinchen 12 Bar-Gelt-Gilt genommen, und Bachi bemerkte beim Studium seiner Bücher, dass er zwar 12 Ungiltige auf der Bank hatte, aber 13 Bar-Gelt-Gilt bei Feldi und Waldi waren. Er, Bachi, hatte ein seltsames 13. Ungiltiges auf seiner Bank. Ein virtuelles, unsichtbares Steinchen sozusagen. Eines, das als Waldis Schuld im Schuldbuch stand.
Das war Zauberei.

Ansonsten war alles gleich geblieben wie zuvor, und niemand außer Bachi wunderte sich.
Wenn mal einer kam, um Bar-Gelt-Gilt oder Buch-Gelt-Gilt gegen Gelt-Gilt-Steinchen zu tauschen, gab er Steinchen und zerriss Zettel oder verbuchte, und das ging immer so, bloß kam immer seltener jemand, um sich ein Geld-Gilt Steinchen zu holen. Bar-Gelt-Gilt war viel handlicher, und Buch-Gelt-Gilt ebenso.
Und seit Bachi Bar-Gelt-Gilt Bar-Gelt und Buch-Gelt-Gilt Buch-Gelt nannte, waren beide fast noch handlicher.

Bachi wunderte sich also, und er dachte nach über Bar-Gelt (die Zettelchen, die umherliefen) und Buch-Gelt (das im Einlagenbuch vermerkt war) und über Gelt-Gilt (die Steinchen, die umliefen) und die Ungiltigen (die Steinchen auf seiner Bank) und über die Geschuldeten (die im Schuldbuch vermerkt waren), und er stellte fest:

(i) Summe aus Gelt-Gilt plus Bar-Gelt plus Buch-Gelt ist immer gleich Ungiltige plus Schuld.
(ii) Summe aus Gelt-Gilt plus Ungiltige ist immer 12.

Und Bachi bemerkte, dass zwischen Gelt-Gilt, Bar-Gelt und Buch-Gelt kein wirklicher Unterschied war, und so beschloss er die drei seltsamen Brüder „Gelt“ zu nennen.

Fortsetzung folgt.

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