Freitag, 26. Februar 2010

Inselgelt (2) - Geldwirtschaft

Mitunter gerieten die gewohnten Tauschverhältnisse allerdings gehörig durcheinander. Wenn Feldis Vorrat an Weizen zur Neige ging, und er nicht mehr tauschen wollte, beispielsweise. Da musste Waldi schon 3 Bund Holz für den Eimer bieten, bis Feldi einschlug. Oder wenn Waldi auf einem der 2 Bunde Holz, die er mühsam zum morgendlichen Treffpunkt an der Bachmündung geschleppt hatte, sitzen geblieben war, und lieber mit 1 Eimer Weizen oder meinetwegen mit einem mittelgroßen Fisch nach Hause gegangen wäre, als den schweren Holzbund wieder heim zu schleppen. Und der letzte genießbare Fisch der Saison war schon mal um stolze 5 Bund Holz an Feldi gegangen, weil Waldi bei 4 Bund aufgehört hatte, mitzubieten.

Das war überhaupt so eine Sache mit den Bedürfnissen.
Es konnte schon einmal vorkommen, dass Bachi gerne Holz gehabt hätte, aber Waldi gerade keinen Fisch wollte, aber Weizen. Dann musste Bachi versuchen, erst Fisch gegen Weizen, und dann Weizen gegen Holz zu tauschen. Das war mitunter recht nervig, aber irgendwie war man's gewohnt, und meistens traf man sich ohnehin morgens an der Bachmündung, da ließ sich in der Regel ein Kompromiss finden.
Vielleicht lagerte man auch irgendetwas ein, was man momentan eigentlich nicht wirklich brauchte, sehr wohl aber in der Erwartung, es später gegen Brauchbares eintauschen zu können.
So tauschte Bachi Fisch recht gerne gegen Holz, denn das bleibt sehr lange brauchbar, was man von seinem Fisch leider nicht behaupten kann.

Dass Bachi beim Fischen seinen Zeh an einem seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen gestoßen hatte, war vorerst ohne Bedeutung.
Bachi gefiel das glänzende Steinchen, und er hatte es nach Hause in seine bescheidene Hütte genommen.

Das Steinchen war hübsch, aber das war auch alles. Und einzigartig. Und unverwüstlich. Aber es war zu rein gar nichts zu gebrauchen. Selbst wenn man es schluckte, es kam irgendwann wieder zum Vorschein, etwas unansehnlich vielleicht, aber unversehrt. Und ohne irgendwelchen Nutzen zu stiften.
Im Laufe der Zeit gesellten sich weitere von diesen seltsam glänzenden daumengroßen Steinchen hinzu. Bachis Sammlung war auf 12 Steinchen angewachsen, dann schien der Bach leer geräumt.
Bachis Verwunderung war groß, als ihm bei einer Verhandlung um 1 Eimer Weizen ein Steinchen aus dem Hosensack gekullert war, und Feldi sofort 6 Eimer Weizen dafür bot.
Und nachdem Bachi verblüfft akzeptierte, und Waldi kurz darauf Wind von den Steinchen bekam, gewannen die Steinchen an Bedeutung.

Es dauerte nicht lange, und man tauschte

Steinchen
[ 1 Stk]
Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>>
[ 1 Stk]
1
3
6
12
Holz >>>
[1 Bund]
1/3
1
2
4
Weizen >>>
[1 Eimer]
1/6
1/2
1
2
Fisch >>>
[1 mittelgroßer]
1/12
1/4
1/2
1

Erst tauschte man gegen Steinchen, weil sie hübsch waren.
Das Erste, das man selbst sein Eigen nannte, war ganz besonders hübsch. Das Zweite, war nicht mehr ganz so hübsch, wenn man es so recht besah, und das Dritte noch ein bisschen weniger. Obwohl, wenn man sie durcheinander mischte, konnte man nicht mehr so recht sagen, welches davon denn das Erste und welches das Dritte gewesen war.
Es war wohl eher wie mit den Weizenfladen. Das Erste schmeckt besonders lecker, wenn man Hunger hat. Aber das Dritte, wenn einem der Bauch schon steht, nun ja.

Aber da war dann doch noch etwas ganz besonderes an den Steinchen.
Sie waren nicht bloß hübsch. Sie waren handlich. Weit handlicher, als Holzbunde.
Und sie waren haltbar. Weit haltbarer als Getreide und weit weit haltbarer als Fisch.
Und sie waren ganz offensichtlich rar. Denn als Feldi und Waldi jeder 4 davon eingetauscht hatten, hatte Bachi plötzlich den Spaß daran verloren, weitere zu tauschen, als ging' es um den letzten Fisch.

Die Steinchen von Feldi und Waldi glänzten unverändert schön, aber weil sich Feldi und Waldi an ihnen über kurz oder lang satt gesehen hatten, war's ihnen irgendwann einerlei, ob sie jetzt 5 oder 1 davon besaßen. Und weil sie es Leid waren, Eimer und Bunde früh morgens an die Bachmündung zu schleppen, einigten sie sich, was sie gerade brauchten gegen diese Steinchen zu tauschen:

Holz
[Bund]
Weizen
[Eimer]
Fisch
[1 mittelgroßer]
Steinchen >>> 
[ 1 Stk]
3
6
12

Das war äußerst komfortabel. Man musste weit weniger schleppen, die Tauschrelationen waren einfach zu merken, und wenn man gerade mal gar nichts brauchte, ein Steinchen war allemal gut genug, um den Wert des Getauschten zu konservieren, und später Brauchbares zurück zu tauschen.
Das sah auch Bachi ein, nachdem er 1 Steinchen nach einem guten Fang gegen 12 seiner Fische zurück getauscht hatte, die er unmöglich alleine hätte essen können, bevor sie verdorben wären.

Und ein freundliches Ritual hatte sich auch eingestellt, mit dem Steinchentausch: "3 Bund Holz macht 1 Steinchen, gelt?" - " Ein Steinchen, gilt!" Das war der Spruch, der ein gelungenes Holzgeschäft besiegelte.
Gelt, ausgesprochen "gööt" [gø t], das steht für "nicht wahr!" (engl. "isn't it!"), das hatte Bachi irgend wann einmal in Wien aufgeschnappt, lange bevor er an Land gespült worden war. Gilt, ausgesprochen "güüt"[gy t], kommt auch von dort, und Bachi fand es lustig, gööt und güüt zu sagen, und die Anderen machten mit.

Fortsetzung folgt.

Hier geht's zur nächsten Folge: Inselgelt (3) - Bargeld
Hier geht's zum Beginn: Inselgelt (1) - Tauschwirtschaft

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