Sonntag, 18. Oktober 2015

Ich weiß, dass ich nichts weiß (Glauben ist nicht wissen)

Ich weiß, dass ich nichts weiß ist ein geflügeltes Wort der Antike.
Diese Weisheit wird Cicero (106–43 v. Chr.) zugeschrieben. Ob die Formulierung tatsächlich von ihm stammt, weiß niemand. Was er damit sagen wollte ebensowenig, Interpretationen gibt's viele.

Was weiß ich wirklich?

Ich sehe, dass es regnet. Ich höre, dass der Wind bläst. Ich fühle, dass es kalt ist.
Das wenigste, was ich mit ähnlicher Gewissheit zu wissen glaube, kann ich tatsächlich bezeugen.
So gut wie alles, was ich als "Wissen" an- und hingenommen habe, habe ich von irgendjemandem übernommen.
Ich habe es gehört, gelesen, als Bild oder Film/Video gesehen.
Wann immer ich Informationen dieser Art als "Wahrheit" akzeptiere, beschließe ich (ohne es zu bemerken), der Quelle zu glauben.

Ich weiß nicht, ich glaube. Ich bin gläubig. Gut-gläubig.

Der ungläubige Thomas:

Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: "Wir haben den Herrn gesehen." Er entgegnete ihnen: "Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht."
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: "Friede sei mit euch!" Dann sagte er zu Thomas: "Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Thomas antwortete ihm: "Mein Herr und mein Gott!" Jesus sagte zu ihm: "Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Wer waren wohl jene, die diese "Wahrheit" formulierten und welche Ziele verfolg(t)en sie wohl mit der Wortwahl und mit der Absicht, Thomas dumm da stehen zu lassen?
Warum lassen sie Thomas nicht sagen "Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe ... , weiß ich nicht"?
Warum lassen sie Jesus nicht sagen "
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht unsicher, sondern wisse"?

Die Qual der Wahl der Quellen:

Ich gelobe
  • es wie Thomas halten zu wollen und sorgfältig zwischen Glauben und Wissen zu unterscheiden,
  • das Gehirn, das mir Gott und/oder die Evolution dankenswerter Weise geschenkt hat gewissenhaft zu nutzen und Quellen, denen ich Glaube schenken möchte mit dem mir eigenen Hausverstand gründlich zu prüfen,
  • die Sinnhaftigkeit dieser Entscheidungen regelmäßig zu hinterfragen, und
  • nie zu vergessen, die alles entscheidende Frage zu stellen:
    "Welchen Nutzen zieht derjenige, der soeben behauptet, was er behauptet, persönlich aus dem, was er soeben behauptet?"

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