Sonntag, 24. Juli 2011

Der arme König Orü (ein Staatsschulden-Märchen)

Es war einmal ein König, der hieß mit Namen Orü.
Orü war ein armer König. Ein armer König, in einem armen Land.
Die Menschen in seinem Reich hatten viel zu wenig um zu leben, aber gerade einen Hauch zu viel um zu sterben.
Und Orü ging es ebenso, denn er war ein guter König. Ein guter und verzweifelter König.

Tag und Nacht grübelte Orü, wie er dem Übel im Lande ein Ende bereiten könnte, und eines Morgens hatte er eine Idee. Eine verzweifelte Idee.
Er beschloss, ein Monument zu bauen, ein riesiges Monument. Ein Monument, das die Welt noch nie gesehen hatte. Ein Monument, im Grunde notzlos, bestenfalls ihm zu Ehren.
Das Monument sollte Orü heißen, und es sollte aus Dingen gemacht sein, die niemandem fehlten. Aus Steinen und Sand, denn das gab's im kargen Land in rauhem Überfluss. Und aus Zeit, die seine Untertanen investierten, denn auch an Überfluss an Zeitmangel hatte niemand zu leiden. Es gab kaum etwas zu tun.

Und so trommelte er seine Untertanen zusammen und verkündete das stolze Projekt "Orü".
Jeder, der mithelfe, würde königlich belohnt, versprach er.
Und die Menschen fanden Gefallen an der Idee, und es kamen viele, um sich zu verdingen.
König Orü belohnte jeden, der beitrug mit königlichem Lohn:
1 ΟЯUЭ (gesprochen Orü) je Arbeitstag, verbrieft auf Pergament mit königlichem Siegel und höchst eigenhändiger königlicher Signatur.
Und jeder wusste, mit jedem ΟЯUЭ, den man erwarb, erwarb man Eigentum am Monument.

Die Menschen strömten herbei und jeden Tag wurden es mehr. Architekten und Ingenieure fanden sich ebenso wie unzählige Arbeiter, und mit Fortschritt des Projektes bildeten sich Versorgungsstrukturen. Denn die Menschen mussten essen und trinken, und sie hatten auch sonst allerlei an Bedürfnissen, die gegen ΟЯUЭ befriedigt werden wollten, und Handel und Wandel gedieh alsbald prächtig.
Es entstanden Siedlungen, Gehöfte, und in ebendem Maße, in dem das Monument wuchs, wuchsen auch Wohlstand und Zufriedenheit im Lande.

Orü ist ein wohlhabender König. Umgeben von wohlhabenden Untertanen in einem wohlhabenden Land, bloß weil in der Mitte seines Reiches ein Monument steht, das die Welt noch nie gesehen hat. Ein Monument, das streng besehen keinen Nutzen stiftet. Es ist bloß Gegenwert der ΟЯUЭs, die von Hand zu Hand gehend Land und Leute Wohlstand sichert. Ein Monument, Orü zu ehren.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

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Erläuterung:
Der weise König Orü bringt seinen Untertanen Wohlstand, indem er Schulden aufnimmt.
Er kreiert SCHULDGELD.
Würde er das Geld zum Bau seines Monuments anderswo leihen, und dafür Zinsen bezahlen (müssen), sähe die Rechnung wohl anders aus.
Aber das ist eine andere Geschichte.

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